Der „Stadtbildhauer“ Elias Holl

Visionär und vielbeschäftigter Architekt der Renaissance

In ihrer achteckigen Pracht, gestützt von steinernen Pfeilern, thront seit 1615 die offene Glockenstube des Perlachturms auf dem ursprünglich niedrigeren, mittelalterlichen Turm. Damit erreichte der Turm seine heutige Höhe von 70 Metern. Der Grund für die Erhöhung: Im Jahr 1616 legte Elias Holl, Stadtwerkmeister von Augsburg und ein visionärer Geist seiner Zeit, den Grundstein für das neue Rathaus im Renaissance-Stil, dessen Bau bis 1620 dauern sollte. Das Schlagwerk der Turmuhr des alten gotischen Rathauses, das man abriss, wurde erhalten und in 23,35 Meter Höhe im Perlachturm platziert. Besonders kompliziert, erforderte das Unterfangen Turmerhöhung ein ausgeklügeltes Gerüst, das das Mauerwerk nicht beschädigte und ein ausgefeiltes Zugwerk für die 45-Zentner-Glocke. Der Perlachturm legt ein geniales Zeugnis dafür ab, wie engagiert und erfinderisch Elias Holl war.

Porträt des Elias Holl in jüngeren Jahren, Gemälde Öl auf Leinwand 102,5 × 85,5 cm, um 1613, unbekannter Künstler | Foto Andreas Brücklmair

Nun steht Augsburg vor einer Herausforderung. Der Turm, jahrhundertelanges Wahrzeichen und stummes Zeugnis des städtischen Stolzes, bedarf dringender Sanierung, doch die finanziellen Mittel sind erschöpft. Die erforderlichen geschätzten neun Millionen Euro scheinen unerreichbar. Anlässlich des 450. Geburtstags von Holl organisiert die Stadt eine groß angelegte Spendenaktion. Man kann nur spekulieren, ob Holl unter den gegenwärtigen finanziellen Beschränkungen ebenso geniale Werke geschaffen hätte.

Elias Holl erblickte 1573 in Augsburg als Sohn eines Handwerkers das Licht der Welt. Die Stadt war zu dieser Zeit ein pulsierendes Zentrum, ein Ort, an dem Könige, Händler und Gelehrte kamen und gingen. Holls Jugend war von konfessionellen Konflikten durchdrungen. In Augsburg, einem Stadtstaat ohne bestimmten Herrscher, der die religiöse Ausrichtung vorschreiben konnte, lebten Katholiken und Protestanten nebeneinander. Er selbst war Protestant aus Überzeugung und das Festhalten an seiner Konfession sollte ihn in späteren Jahren (1630) auch um seine Ämter und um den größten Teil seines Vermögens bringen. 1632 wurde er aber von Augsburgs Besatzer, dem Schwedenkönig Gustav II., für rund drei Jahre wieder in sein Amt eingesetzt.

Der Eingang zur Elias Holl Ausstellung im Innenhof des Maximilianmuseums Foto Monika Harrer-Jalsovek

Als junger Mann suchte Holl neue Inspirationen und reiste im Jahr 1600 nach Venedig und Oberitalien, um u. a. die architektonischen Meisterwerke des renommierten Architekten Andrea Palladio zu studieren. Palladio war ein Wegbereiter der oberitalienischen Renaissance-Architektur. Holl kehrte von seiner Reise tief beeindruckt von der Pracht der palladianischen Architektur zurück und errichtete bereits im folgenden Jahr, 1602, frisch inspiriert und zum Stadtwerkmeister ernannt, das Bäckerzunfthaus am Perlachberg. Das Gebäude wurde leider 1944 im Krieg zerstört. Es befand sich in unmittelbarer Nähe zum Perlachturm und zum Rathaus.

Ebenso bemerkenswert war seine maßgebliche Beteiligung am Zeughaus, dem ehemaligen Waffendepot der Stadt. Holl ersetzte das alte Depot am Stadtrand durch ein neues, zentral gelegenes Gebäude am Moritzplatz, mit vielen bautechnischen Kniffen gestaltet und gekrönt von einer prunkvollen Fassade. Holl arbeitete auch hier mit einigen künstlerischen Mitarbeitern. Die Bronzestatue des Erzengels Michael über dem Eingangsportal schuf z. B. ein Zeitgenosse Holls, der Bildhauer Hans Reichle. Das Zeughaus kann noch heute besichtigt werden.

Vermutlich musste Elias Holl nie bei der Bevölkerung um Spenden betteln, um eines seiner Bauwerke vor dem Verfall zu retten. Der Perlachturm ist ein herausragendes Wahrzeichen der Stadt – es bleibt zu hoffen, dass die Bürger bereit sind, die von der Stadt angedachten Glocken-Patenschaften zu übernehmen oder auf andere Weise Geld geben, um die Renovierungskosten aufzubringen. Denn sonst wird das einsturzgefährdete Bauwerk wohl noch lange Zeit leider so verhüllt bleiben, wie es derzeit ist.

Die Ausstellung im Maximilianmuseum ist noch bis zum 17. September zu besichtigen. FA, HEA

Modell des Baugerüsts für den Perlachturm, 156 × 52,5 × 32 cm | Foto Kunstsammlungen und Museen A ugsburg

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