Daumen hoch für Oberhausen!

Wie Stadt und Initiativen das Viertel aufwerten wollen

Auch wenn es derzeit heftige Debatten um das Thema Süchtigentreff im Augsburger Stadtteil Oberhausen gibt, darf nicht übersehen werden, welch großes Potential in diesem Traditionsviertel mit seiner bunten Einwohnerstruktur steckt. Oberhausen ist in vieler Hinsicht lebendig und etliche Aktivposten arbeiten daran, das Quartier noch lebenswerter zu machen und Orte der Begegnung zu schaffen.

Foto Martin Herzgsell

Vor über 110 Jahren wurde das ehemalige, stetig wachsende Industriearbeiterdorf Oberhausen in die Stadt Augsburg eingegliedert. Viele Gebäude stammen noch aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Industrialisierung Augsburgs. Da es sich vornehmlich um Arbeiterunterkünfte handelte, sind die Bestandsgebäude von der Struktur her mehrheitlich kleinere Mehrfamilienhäuser, aber auch Einfamilien- und Zweifamilienhäuser gehören dazu. Entlang der Hauptverkehrsachsen Ulmer Straße und Donauwörther Straße stehen auch Mehrfamilienhäuser, in die Gewerbeflächen integriert sind. Der mit der Industrialisierung verbundene Einwohneranstieg zog den Bau diverser sozialer Einrichtungen nach sich, darunter Schulen, Kirchen und im Jahr 1902 die Geburtsklinik Josefinum, die bis heute existiert.

Aus der ehemaligen Staplerhalle an der Flurstraße im Hettenbachviertel ist das trendige Restaurant Hettenbach 45 geworden, in dem auch die Marke August Gin ihren Sitz hat. Foto Raphael Renter

Insgesamt wohnen etwa 25.000 Menschen in Oberhausen, das im Vergleich zu anderen Stadtteilen den größten Anteil an Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund hat. Die Zusammensetzung ist multikulturell. Was eigentlich in gewisser Weise nur konsequent ist, denn hier befand sich bereits um 15 v. Chr. ein römisches Militärlager und ältere Augsburger werden sich an die angrenzenden Kasernen des US-Militärs erinnern, das dort bis Ende des 20. Jahrhunderts stationiert war. Natürlich unterliegen alte Stadtquartiere im Lauf der Jahrzehnte dem Wandel und so auch Oberhausen, das „Viertel der kleinen Leute“. Trotz staatlich geförderter Maßnahmen (Städtebauprogramm „Soziale Stadt“), von denen in den letzten 25 Jahren etliche umgesetzt wurden – da-runter Fassadenerneuerungen, die Wiederherstellung des Wertachuferwegs, der Grüne Rundweg am Hettenbach und ein Nachbarschaftsgarten – besteht offenbar noch großer Nachholbedarf. Denn wer den Strukturwandel des Stadtteils über die Jahrzehnte hinweg verfolgt hat, musste feststellen, dass viele der ehemals vorhandenen kleinen Läden, Cafés und Salons sukzessive verschwunden sind. Gegen diesen Strukturwandel wehren sich mittlerweile verschiedene Initiativen, die sich nicht auf städtische Maßnahmen verlassen wollen, darunter die ARGE Oberhausen. Sie organisiert Stadtteilfeste wie das Kirschblütenfest im Frühjahr oder den Adventsmarkt und stellt auf ihrer Website Sehens- und Besuchenswertes im Viertel vor. Mitinitiator der sich gerade formierenden Aktionsgemeinschaft „Unser Oberhausen“ ist der Geschäftsführer der Walser Immobilien Projekte GmbH, Maximilian-Philipp Walser, der persönlich eng mit Oberhausen verbunden ist. Er möchte vor allem Orte der Begegnung schaffen. „Gewerbe raus – Wohnraum rein: So ist keine Begegnung möglich“ beklagt er mit Blick z. B. auf das Flur-straßenviertel, in dem vor 30 Jahren noch 15 Läden und Gastronomiebetriebe ansässig waren, von denen heute leider nichts mehr existiert. Daraus geworden ist ein reines Wohnviertel. Zwar wurden auf bestimmten Arealen wie z. B. der ehemaligen „Colafabrik“ Fach- und Einkaufsmärkte angesiedelt, doch es bleibt schwierig, kleinteiliges bürgernahes Ge-werbe für den Stadtteil zu begeistern.

An der Theresienstraße hat das Architekturbüro 17A Stefan Degle diesen Neubau mit hochwertigen Mietwohnungen erstellt. Foto Walser

Nicht wenige befürchten, dass Oberhausen zu einer Art Getto für Migranten ohne soziale Einbindung werden würde, wo diese doch eigentlich in ihren Herkunftsländern in der Regel gewohnt sind, einen Großteil ihrer sozialen Kon-takte im öffentlichen Raum wahrzunehmen. Dafür muss es genügend attraktive Möglichkeiten geben. Und auch viele alteingesessene Oberhauser sehnen sich die Zeiten zu-rück, in denen man sich ganz ungezwungen und spontan zum Schwätzchen beim Metzger, im Café oder bei Tante Emma traf. Hier setzt die neu formierte Bürgerinitiative an mit dem Ziel, das Image des Stadtteils zu verbessern und auf eine gesunde Durchmischung der Einwohner hinzuarbeiten. Speziell das örtliche Gewerbe will die „Werbegemeinschaft Oberhausen“ fördern, die sich gerade in der Gründung befindet, unter der Federführung von Alexander Ferstl, dem Geschäftsführer von Modehaus Jung an der Wertachbrücke. Als Lokalpatriot und Vertreters eines Familienunternehmens vor Ort in der vierten Generation liegt ihm besonders viel an der Aufwertung des Quartiers. Für sein Unternehmen hat er große Pläne: Das Jung-Areal samt Modehaus an der Grenze zu Oberhausen soll komplett um-gestaltet werden. Ferstl will zusätzliche Anreize für den Besuch des Standorts schaffen und Synergieeffekte erzeugen. Der Parkplatz soll mit Wohnungen überbaut werden, im Bestandgebäude sollen weitere Gewerbe, ein Restaurant und eine Arztpraxis integriert werden. All das werde, so Ferstl, von der Augsburger Stadtplanung ausdrücklich befürwortet. Mit seinem Projekt wolle er dem Raum um die Wertachbrücke einen weiteren Impuls geben, nachdem bereits sehr positive Entwicklungen durch die Ansiedlung des Hotels Leonardo und die Renovierung einiger Gebäude in der Wertachstraße stattgefunden hätten. Wann genau das Projekt realisiert wird, steht allerdings noch in den Sternen und hängt zum Teil auch davon ab, wie es mit dem heiß diskutierten Süchtigentreff weitergeht.

Vorbildlich sanierte Altbauten werten die Flurstraße in Ober-hausen auf. | Foto Walser

In eigener Sache aktiv geworden ist kürzlich Immobilienunternehmer Walser, der mit einer konkreten Maßnahme den Süchtigentreff am Standort St. Johannes verhindern möchte: Er hat der Evangelischen Gemeinde das schriftliche Angebot unterbreitet, die Kirche St. Johannes samt Pfarrhaus und Gemeindesaal für eine siebenstellige Geldsumme zu kaufen. Für die Nutzung schweben ihm ein Jugendzentrum oder eine Kindertagesstätte vor, für das leerstehende Kirchengebäude ein interreligiöser Treffpunkt, ein Museum und Gastronomie. Die Kirchengemeinde sieht sich jedoch bislang der Stadt Augsburg im Wort.

Nichts desto trotz gibt es einige positive, längst realisierte Beispiele, die in die richtige Richtung weisen. Einige gewerbliche „Einzelkämpfer“ setzen bereits erfolgreich Akzente. So ist die Traditions-Metzgerei Ludwig Mayer ihrem Standort treu geblieben und verwöhnt im sanierten Gebäude in der Ulmer Straße ihre Kundschaft mit selbst hergestellten Produkten und wechselndem Mittagstisch. In der Wertachstraße hat sich das Restaurant Kerem Kebap angesiedelt, das sich auf Steaks und Burger in hoher Qualität spezialisiert hat. Da-neben stehen türkische Spezialitäten auf der Speisekarte. Das Szenelokal Bob’s, in dem neben Fast & Slowfood auch diverse Veranstaltungen geboten werden, befindet sich ganz in der Nähe des Helmut-Haller-Platzes am Ostbahnhof, Schauplatz des Festivals „Sommer am Kiez“, das Rock-Fans aus nah und fern anlockt. Ein zweiter Schauplatz des Festivals ist am Gaskessel auf dem ehemaligen Gaswerksgelände am Rande von Oberhausen, das als Kreativ-Quartier umgenutzt wurde und auch anderen Festivals wie z. B. dem Modular Raum bietet, den Stadtteil Oberhausen selbst aber leider noch nicht „mitnimmt“.

Der Inhaber vom Restaurant Hettenbach 45, Christoph Steinle, konnte bereits Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber in seinen Räumen begrüßen. | Foto Raphael Renter

Maximilian-Philipp Walser fordert die Eigentümer und Projektierer von Immobilien in Oberhausen auf, unter der Prämisse „Eigentum verpflichtet“ nicht ausschließlich wirtschaftliche Er-wägungen bei der Verpachtung bzw. Schaffung von Wohn- und/oder -gewerberaum den Ausschlag geben zu lassen. Oberhausen dürfe keine reine „Schlafstätte“ werden. So müsse die Höhe der Pacht in Gewerbebauten auch für kleine Unternehmen attraktiv sein. Und Walser erinnert, dass das Stadtbauamt auf dem neu zu gestaltenden Zeuna-Stärker-Areal neben Wohnbebauung auch Gewerbeflächen mit ein-beziehen müsse.

In punkto Fitness im Hinblick auf die klimatischen Veränderungen hat das Stadtbauamt bereits Maßnahmen getroffen. Die besonders stark versiegelten Bereiche des Stadtteils Ober-hausen-Mitte und Rechts der Wertach wurden zum „Modell-quartier Klimaanpassung“ erklärt. Sie gehören im stadtweiten Vergleich zu den Hitze-Hotspots. Daher sind eine klimaresi-liente Umgestaltung und die Sensibilisierung der Bevölkerung dort besonders relevant. Nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch auf Privatgrundstücken gibt es Potenzial für Begrünungs- und Entsiegelungsmaßnahmen, die zahlreiche positive Effekte haben, wie Erhöhung der Aufenthaltsqualität, Schaffung von Schattenbereichen für den Sommer, Verbesserung des Mikroklimas, Reduzierung der Lärmbelastung und Stark-regenvorsorge durch Versickerung und Verdunstung. Den betroffenen Grundstückseigentümern bietet die Stadt ein kostenloses Beratungsangebot an. Und bis zu zwei Gratisbäume samt Pflanzung von der Stadt pro Grundstück. Maximilian-Philipp Walser hat übrigens Flächen für neun Bäume zur Verfügung gestellt. Die aktuellste und derzeit umfangreichste Maßnahme in Oberhausen dürfte jedoch die ab 15. Juli laufende Sanierung der Ulmer Straße darstellen.

Die Entwicklung von Oberhausen hängt also von vielen Fak-toren ab; erste Verbesserungs-Ansätze sind gelungen. Doch ob die Maßnahmen greifen, wird sich zeigen. Optimistisch ist jedenfalls die irisch-australische Familie Brady, Thomas und Caitlin Brady mit ihren Kindern, die das Potential des Stadt-teils erkannt und sich 2020 hinter St. Johannes ein Einfamilienhaus mit Garten gekauft haben, wohin sie aus der Innenstadt gezogen sind.

Eine große Auswahl an hochwertigen Speisen kann auch im Restaurant Kerim Kebap genossen werden. | Foto Kerim Kebap

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